Recherche in Krisenzeiten

Hinschauen/ „Hinschauen und dranbleiben! Recherche in Krisenzeiten“, so lautete in diesem Jahr das Motto der Jahreskonferenz des Netzwerk Recherche. Nach zwei Jahren Pandemiepause war es ein großes Glück, dass die Konferenz wieder in Präsenz auf dem Gelände des NDR in Hamburg stattfinden konnte.

Die NR-Jahreskonferenz ist für mich immer ein MUSS. Und das hat viele Gründe. Die Themenvielfalt ist hervorragend, vieles davon interessiert mich, und in den Panels sitzen meistens interessante Persönlichkeiten.

EX-Dortmunder/ Es ist immer auch ein großes Treffen von vielen Ehemaligen der Dortmunder Journalistik. Eine Menge Studierende durfte ich in den zwanzig Jahren an der Uni begleiten, erst als Studentin und dann als Dozentin. Und in u.a. auf der Tagung in Hamburg treffe ich sie immer Mal wieder.

Auch in diesem Jahr war es so und es macht mich unfassbar froh und dankbar, welche Wege die „Dortmunder*innen“ im Journalismus gehen, welche Beschäftigung sie haben, mit welchen Themen sie unterwegs sind und wie entschlossen sie für Qualitätsjournalismus stehen. Einfach großartig!

Gefährlicher Job: Reporter*innen berichten aus Krisengebieten.

Krisenreporter/ Besonders beeindruckt haben mich in diesem Jahr zwei Themen: Katrin Eigendorf (ZDF), Christoph Reuter (Der Spiegel) und Arndt Ginzel (freier Journalist, u.a. Frontal 21) sprachen über ihre Erfahrungen als Reporter*in Krisengebieten. Sie waren alle in der Ukraine unterwegs, mehrfach. Immer nur für eine gewisse Zeit, dann reisen sie wieder zurück nach Deutschland, um Distanz zum Geschehen zu bekommen und Normalität zu spüren. Die Schilderungen waren spannend und ihr Job ist so wichtig. Ohne authentische Berichte wüssten wir nicht, was in den Kriegsgebieten passiert, wie es den Menschen vor Ort geht und wie sich Krisen und Konflikte entwickeln.

Arndt Ginzel (r.) bekommt den Leuchtturm von Spiegel-Reporter Christoph Reuter.

Leuchtturm/ Arndt Ginzel bekam den Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen überreicht. Damit wurde vor allem seine Dokumentation „Die Straße des Todes“ gewürdigt. Ich empfehle diesen Film ausdrücklich, auch wenn er nur schwer verdaulich ist. Aber ein starkes Stück Zeitgeschichte.

Empfehlen kann ich auch den Film „An allen Fronten – Berichten aus dem Krieg“ in der ZDF-Mediathek. Er gibt einen sehr guten Einblick in die Arbeit von Journalist*innen in Kriegs- und Krisenregionen.

Kommunikation/ Großen Respekt habe ich vor den Kolleg*innen, die über den Bau des Tesla-Werkes in Brandenburg berichten. Keine leichte Aufgabe, wenn man erstmal versteht, wie die Kommunikation bei Tesla funktioniert. Mit Journalist*innen nämlich gar nicht. So berichteten es drei Reporter*innen auf dem Panel. Und jetzt zitiere ich mal aus dem Begleittext zum Panel: „Nach amerikanischem Verständnis von PR setzt man weniger auf einen gleichberechtigten Dialog von Unternehmen und Öffentlichkeit, sondern vielmehr auf eine Top-down-Kommunikation mit zuweilen manipulativen Zügen oder eine Pull-und-Push-Kommunikation: Die Konzerne gewähren nur selektive Einblicke und entscheiden, wen sie zur Berichterstattung vorlassen und wen nicht.“

Zum besseren Verständnis, was damit gemeint ist, empfehle ich die ZDF-Dokumentation „Turbo—Tempo-Tesla – Elon Musk in Brandenburg“.

Spirit/ Und noch etwas hat mich an der Netzwerk Recherche-Konferenz beeindruckt, es ist der Spirit, der herrscht. Ich habe das Gefühl unter Gleichgesinnten zu sein. Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen brennen für ihren Beruf, für Qualitätsjournalismus, für Recherche. Das habe ich noch nirgendwo so intensiv gespürt, wie an den zwei Tagen in Hamburg.